Berufstätigen-WG: Vom Trend zur neuen Normalität?
Die „Wohngemeinschaft“, kurz WG, ist seit Jahrzehnten ein allseits bekannter Begriff in Deutschland. Die meisten denken dabei wahrscheinlich als Erstes an eine Gruppe von Studierenden, die frisch aus dem Elternhaus das Leben in Freiheit genießen – mit ausgiebigen Partys und eher wenig Ordnung.
Abgesehen von diesem Klischee gibt es inzwischen allerdings eine Vielzahl kollektiver Wohnformen, die Menschen in verschiedensten Lebenslagen zusammenbringen. Eine davon ist die sogenannte „Berufstätigen-WG“. Warum dieses Konzept gerade in den letzten Jahren immer beliebter wurde und wie das im Einzelnen aussehen kann, erklären wir hier.
WG für Berufstätige – eine solide Alternative
Nun fragen sich wohl manche: „Weshalb sollte ich denn mein Zuhause mit anderen Mitbewohner:innen teilen, wenn ich schon Vollzeit arbeite und mein eigenes Geld verdiene?“ Tatsächlich gibt es dafür einige gute Gründe – darunter ist der ausschlaggebendste natürlich der finanzielle Aspekt.
Berufs-WG als Antwort auf überteuerten Wohnungsmarkt
Aktuelle Statistiken sprechen für sich:
- zwischen 2015 und 2022 sind die durchschnittlichen Mietpreise in Deutschland um mehr als 10 Prozent gestiegen
- in Berlin waren die Mieten 2021 im Vergleich zu 2016 ganze 40 Prozent teurer
- vor allem in Großstädten wird es zunehmend schwierig, bezahlbare Wohnung zu finden
- Ende 2022 lag der Quadratmeterpreis in München bei fast 20 Euro, dicht gefolgt von Berlin und Frankfurt am Main mit knapp 17 Euro
Nichtsdestotrotz wohnen in der Bundesrepublik fast 60 Prozent aller Menschen zur Miete, in Hamburg oder Berlin sind es sogar rund 75 bzw. 85 Prozent.
Eine Eigentumswohnung oder ein Hauskauf kommt für viele jedoch nicht infrage, da die Kaufpreise ebenso von der anhaltenden Inflation betroffen sind. Es wundert also nicht, dass sich immer mehr Erwachsene auf die Suche nach einer Berufstätigen-WG machen.
Berufs-WG – eine Lösung für viele Probleme
Neben den hohen Mietpreisen tragen noch weitere Entwicklungen dazu bei, dass der Altersdurchschnitt in Wohnungsgemeinschaften ansteigt:
- Deutschland ist Single-Land
Laut einer Umfrage lag der Anteil an alleinstehenden Personen im Jahr 2021 bei fast 30 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Immer mehr Menschen gründen entweder erst später oder nie eine eigene Familie – was allerdings nicht zwingend bedeutet, dass sie gerne allein wohnen. Vor diesem Hintergrund bietet die Verbindung von Beruf und WG eine attraktive Alternative für Singles, die auch ohne Partner oder Kinder in Gemeinschaft leben möchten.
- Arbeitsmarkt im Wandel
Abgeschlossene Ausbildung oder Studium gleich sichere Zukunft? Was für unsere Großeltern noch selbstverständlich war, ist spätestens seit der Millennial-Generation nur noch Utopie.
Selbst hochqualifizierten Arbeitskräfte gelingt es oft nicht mehr, gut bezahlte Stellen mit Perspektive zu finden. Stattdessen häufen sich Jobangebote mit befristeten Verträgen oder Teilzeitmodellen – ganz zu schweigen von unbezahlten Praktika oder Volontariaten.
Angesichts dieser Unsicherheiten stellt eine WG für Berufstätige immer häufiger die einzig erschwingliche Option dar.
Wohnen mit Mehrwert: Benefits einer Berufstätigen-WG
Zweifellos werden viele Wohngemeinschaften zunächst aus der Notwendigkeit heraus gegründet – weil beispielsweise die Mieten zu hoch, das eigene Einkommen zu gering oder schlichtweg nicht genug Angebote auf dem Immobilienmarkt verfügbar sind. Gleichwohl können Berufstätigen-WGs ein Plus an Lebensqualität bieten, das unter anderen Umständen in dieser Form gar nicht möglich wäre. Die einschlägigsten Vorteile haben wir im Folgenden zusammengefasst:
- Mehr Komfort dank Mitbenutzung.
Wenn sich Erwachsene mit geregeltem Einkommen eine Wohnung teilen, liegt das nicht unbedingt daran, dass sie sich keine eigene leisten könnten.
Für viele stellt sich dagegen die Frage: Warum alleine ein Mini-Apartment mieten, wenn ich mit ein paar Mitbewohner:innen für ein luxuriöse Loft das gleiche Geld bezahle?
Dank geteilter Kosten für Gemeinschaftsräume und Energieversorgung können Berufstätige in WGs einen spürbar höheren Lebensstandard genießen – mit Extras wie einer modern ausgestatteten Küche, einer großzügigen Lounge-Area oder sogar einem eigenen Garten.
- Mehr Gemeinschaft statt Einsamkeit.
Paradoxerweise ist es gerade in Großstädten besonders schwierig, Kontakte zu knüpfen und dauerhaft zu halten.
Menschen, die zum Beispiel wegen eines neuen Jobs umziehen, verlieren sich oft in der Anonymität und Schnelllebigkeit des Alltags.
In solchen Situationen kann eine Berufstätigen-WG dabei helfen, sich in der zunächst fremden Umgebung zurechtzufinden und Stück für Stück ein eigenes soziales Netzwerk aufzubauen – ganz nach dem Motto „Zusammen ist man weniger allein“.
- Mehr Flexibilität im Hier und Jetzt.
Die Corona-Krise hat unmissverständlich gezeigt, wie rasant sich die Arbeitswelt wandeln kann: Jobwechsel sind heute genauso an der Tagesordnung wie der Wechsel zwischen Home-Office und Büro.
Dementsprechend wird es immer wichtiger, auch räumlich zu einem gewissen Grad unabhängig zu bleiben. Anstatt langfristig an einen Ort gebunden zu sein, können sich Berufstätige in WGs jederzeit eine Vielzahl von Optionen offenhalten.
Dadurch wird es beispielsweise ohne großen Aufwand möglich, zwischen zwei Städten zu pendeln oder für einige Monate in einer anderen Stadt zu arbeiten.
Nicht selten entdecken Bewohner:innen, die sich zunächst als „Mittel zum Zweck“ zusammenfinden, daher einen ganz neuen Wert im gemeinschaftlichen Wohnen. So kann sogar eine WG, die ursprünglich als Übergangslösung gedacht war, im Laufe der Zeit zur persönlichen Wohlfühloase werden.
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